Mein Tagebuch 
Freitag: Vormittags muss ich zum orthopädischen Schuhmacher, neue Einlegesohlen anpassen lassen. Ich trage die seit vielen Jahren täglich, auch in Hausschuhen, um Knie- Rücken- und Hüftbeschwerden vorzubeugen. Bisher sehr erfolgreich. Aber die alten passen nicht mehr richtig, das merke ich gerade. Schnell ändern, bevor sich eine Fehlstellung manifestiert.
Nachmittags kommen die beiden Mädchen aus Bremen - das erste Mal alleine mit dem Zug. Wir holen sie natürlich in Verden am Bahnhof ab. Sie sind bestimmt aufgeregt. Wir freuen uns auf ein schönes, gemeinsames Wochenende.

Donnerstag: Ich mache mir einen Fahrplan der kurzen Verbindungswege. Erstes Ziel Praxis, Rezepte abholen. Dann ins Gewerbegebiet zum Bastelladen. Von dort ein Kurzweg zum Baumarkt, Steinfarbe und Blumen kaufen. Weiter in meine Wohnung, Post gucken, Winterschuhe wegbringen, lüften, meine Nachbarin besuchen. Auf dem Rückweg steht noch Apotheke und Aldi an. Ich bin gar nicht mehr richtig belastungsfähig, stelle ich fest, als ich endlich wieder zu Hause bin.
Peter verbringt den Tag im Wohnmobil. Die Stromversorgung für den Fernseher ist kaputt, lange Fehlersuche in denkbar ungünstiger Körperhaltung, neues Kabel besorgen und einziehen. Abends funktioniert alles wieder. Und meine im Sommer verloren geglaubte Sonnenbrille ist wieder aufgetaucht, war irgendwie zwischen Verkleidung und Matratze gerutscht. Nun habe ich zwei ....
Es gibt heute Steckrübeneintopf von gestern. Hier mein Rezept für Rübenmuffel: Zwiebel andünsten, mit Gemüsebrühe aufgießen, Rübe, Möhren, Kartoffeln und einen Apfel rein. 30 Min. kochen. Dann den Pürierstab 2sek reinhalten, wird schön sämig. Würzen mit Curry, Kurkuma, frisch geriebenem Ingwer, etwas Sojasoße und als Topping eine Sahne- oder Schmandspur, Petersilie. Wer mag kann zum Schluss klein geschnittene Kochwurst ( gibts auch veg.) zugeben.
Dessert: Banane, Apfel, Walnüsse, Quarkzubereitung Maracuja
Ich bin manchmal entsetzt, wenn ich sehe, was andere in ihrem Kochblog in Facebook veröffentlichen als "lecker". Das ist doch voll die Moppelkotze...
Mittwoch: Ein Einkauf für den Besuch der Enkelkinder am Wochenede steht an. Was man als Oma so vorrätig haben sollte: Saft, Milch, Kakao, Brötchen, Brot, Nutella, Käse, Bonschen, Cornflakes, Nudeln, Pizza usw.
Nachmittags will ich gerade los zum Qigong, als mein Körper mir dringend rät, schnell die Keramikabteilung aufzusuchen, und da komme ich so bald nicht wieder weg. Muss absagen. Später ist alles wieder okay, aber zu spät. Ich scheibe in die WhatsApp- Gruppe, dass ich heute zu Hause Qigong im Sitzen machen werde, haha. Flitzkacke.
Dienstag: Wir haben gestern zu früh aufgegeben und den Stadtgang auf heute verschoben. Fehlentscheidung. Es ist neblig, trübe, die Stadt ist leer. Was für ein Unterschied zu dem prallen Leben und den besetzten Straßencafés im Sonnenschein gestern. Trotzdem laufen wir los und treffen auf der Promenade überraschend eine Kollegin. Erst einmal eine Runde klönen, bevor sich unsere Wege wieder trennen. Wir schauen die alten Villen am Meer an.
Unser Rundgang endet am Fischladen, zwei mal Bismarck im Brötchen bitte.
Wegen des Wetters fahren wir heute schon nach Hause. Aber wir werden Mitte April zur Baumblüte wieder hier sein, das sieht sooo schön aus, ca 50 blühende Bäume rechts und links von der Hauptstraße. Übrigens bietet sich dieses Ziel auch mit einem Niedersachsenticket gut an. Zug fährt durch von Bremen oder Verden und aussteigen direkt in der City, nur wenige Minuten zum Zwischenahner Meer.
Auf dem Wohnmobil- Stellplatz stehen inzwischen zwei richtige "Wohnhäuser", Stück auf 400.000 € geschätzt, wir kennen die von der Caravanmesse. Peter verachtet solche Leute, aber ich denke, es kann unter bestimmten Voraussetzungen Sinn machen. Z.B. ein halbes Jahr in der Provence an einem festen Platz stehen. Also mit Camping und Mobilität hat das nichts mehr zu tun, das sehe ich ein. Der andere der beiden ist noch größer ...
Montag: Wir verlassen Hude und fahren nach Oldenburg. Auf dem Pferdemarkt können wir parken, riesiger Platz, wenig besucht, zwei Stunden € 7. Aber wir sind in der City, schlendern ein bisschen umher, trinken einen Milchkaffee auf dem Lambertimarkt in der Sonne. Peter ist enttäuscht, wie sich die Stadt verändert hat, seit er dort gewohnt hat. Auch ich bin nicht mehr so begeistert, muss ich nicht so schnell wieder hin.


Wir besuchen Horsts besten und ältesten Freund Fred und seine Frau Ingrid. Wir haben uns früher häufiger gesehen, aber nun zuletzt bei der Beerdigung. Es stellte sich vor einiger Zeit mal raus, dass Peter und Fred zusammen in der Lehre waren und heute noch beide an den Jahrgangstreffen teilnehmen. Von daher brauche ich meinen "neuen" Mann gar nicht vorstellen, alte Bekannte.
Nach anderthalb Stunden Klönschnack fahren wir weiter nach Bad Zwischenahn. In OL sind Womos nicht gerne gesehen, kein Platz, kein Strom.
Der Stellplatz hier ist angenehm. Wir gehen erst einmal Richtung Fischbrötchen. Morgen ist auch noch ein Tag für die Stadt und das Meer.
oben links Dr. Schüßler, der Erfinder der "Salze"
Gestern ist alles planmäßig gelaufen. Wir haben mit Peters Tochter einen schönen Spaziergang in Hude zur Klosterruine gemacht. Leider war das Gelände noch geschlossen. Außerdem humpel ich rum, Bein-Aua, daher kurzer Weg.
Abends hat Peter uns zum Griechen eingeladen. War nett, aber ich hatte die teuersten Nudeln ever, Bandnudeln mit Tomatensoße 17,80€. Wow. Es war unser erster gemeinsamer Restaurantbesuch, wir kochen sonst lieber selbst.

Wir übernachten bei Lidl auf dem Großparkplatz gegenüber.
Die ersten Schmetterlinge und Nektarsammler fliegen durch den Garten
Sonntag: Wir machen uns startklar für ein paar Tage im Wohnmobil. Ich stelle fest, dass ich immer weniger Klamotten brauche, lässiger werde, routinierter. Und wärmer wird es auch. Unser erstes Ziel ist Hude, wo Peters Tochter lebt. Er wird uns in ein Restaurant einladen, Kuchen nehme ich mit. Nachmittags setzen wir vielleicht schon um nach Oldenburg. Ich möchte mal wieder durch die Stadt latschen, war ewig nicht mehr dort.
Der Abend mit Hagen Rether und seinem Programm LIEBE war einfach nur schön. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich mal zwei Stunden durchgehend gelacht habe. Auch Peter war begeistert, kannte den kaum, HR sprach uns aus der Seele. Für mich ist er der beste Kabarettist überhaupt. Auftritte im TV sind mit diesen Texten nicht möglich, es würde einen Shitstorm der Entrüstung geben. Daher kennen ihn fast nur Insider von seinen früheren Darbietungen z. B. bei "Mitternachtsspitzen". Der zweite Teil bis 23:00 Uhr war ernster, textbegleitend am Klavier mit "Schlaf Kindchen schlaf" in Dauerschleife.
Sonnabend: Internationaler Frauentag
Immer wieder die Frage: "Braucht man den noch?" Jaaaa! Solange Frauen kaum Chancen haben, trotz Familie Karriere zu machen und für ihr Alter vorzusorgen. Frauen gelten als unzuverlässig, Schwangerschaft, Kinder krank, Kita geschlossen, Rohrbruch in der Schule ... meistens sind die Frauen dran, das aufzufangen. Männer geben sich inzwischen auch Mühe, aber es müssen vor allem politisch und gesellschaftlich andere Voraussetzungen geschaffen werden. Da ist noch viel Luft nach oben. Und immer noch wird statistisch täglich eine Frau von ihrem Expartner getötet. Die Frauenhäuser sind am Anschlag, alleinerziehende Mütter sind oft arm und darunter leiden auch die Kinder. Ich kenne einige Frauen, die besser durchs Leben gekommen sind und jetzt wenig Verständnis haben. Das macht mich betroffen, wenn der Blick nicht über den Tellerrand hinausgeht. Auch wenn es mir selbst wirklich gut geht im Alter finde ich die Solidarität wichtig. Ich hatte auch schon andere Zeiten ... beruflich war es nicht einfach, und wenn ich nicht Witwenrente bekommen würde, würde ich blöd aus der Wäsche gucken.


Ich freue mich heute Abend auf "Hagen Rether" in der Stadthalle Verden. Böse Satire, politisches und gesellschaftliches auf den Punkt bringen, dass einem das Lachen im Hals stecken bleibt.
Freitag: Morgens Aufgabenverteilung, und ich komme wieder einmal besser dabei weg. Peter greift meine Idee auf, mal vorm Haus etwas zu tun und nicht immer nur im Garten. Büsche schneiden, fegen, reparieren, Gesträuch weg. Ich übernehme die Küche, Kuchen backen usw. Und ein bisschen malen und lesen.

Donnerstag: Ich frische mein Blumenrad vor der Tür mit etwas Farbe auf und entferne das Tannengrün. Bald kann ich es bepflanzen. Ein Wochenendeinkauf steht auf dem Programm und anschließend setzen wir uns mit einem Latte Macchiato vorm Bäcker draußen in die Sonne, Leute gucken. Bekannte kommen gerade nicht vorbei, schade.
Das Wetter ist einfach zu schön, um heute drinnen zu muddeln. Wir sitzen zwei Stunden im Garten und machen Pläne für Ausflüge mit dem Wohnmobil. Sonntag Richtung Oldenburg? Aber da meldet sich gerade Peters Tochter zum Besuch an, das ist wichtiger. Es ist gar nicht einfach, mal drei zusammenhängende Tage zu finden, wo niemand einen Termin hat, zumal mittwochs ja Qigong ist. Ich habe eine Terminphobie, aber es nützt nix, es kommt immer was, Versammlungen, Arzttermine, LitKreis, Kinder, Vortrag usw. Man kann dem einfach nicht entgehen, muss Proritäten setzen. Am einfachsten lassen sich natürlich die Kurzreisen mit dem Womo verschieben und so geht das schöne Wetter manchmal ungenutzt an uns vorbei.

Mittwoch: Vom Sofa aus beim Morgenkaffee beobachten wir ein Eichhörnchen, das den gerade für die Vögel hingelegten Apfel klaut. Na sowas. Schnell in Sicherheit bringen und wiederkommen, um Kerne im Vogelhaus zu knacken. Gieriges kleines Vieh :-)

Nachmittags Qigong. Wir bearbeiten unsere Ohren und lernen, welche Stellen für Wirbelsäule und Nierenleitbahn zuständig sind. Interessant. Da sitzen ja auch die meisten Akupunkturpunkte. Hörgeräte raus, Ohrringe raus, Brillen absetzen und losfummeln.
Endlich habe ich das 90teilige Eschenbach Service in Kleinanzeigen zum Verkauf angeboten, steht schon länger rum, aber ich muss ja auch zu Hause sein, wenn sich jemand meldet.
Dienstag: Einer meiner guten Vorsätze fürs neue Jahr ist erfüllt. War bei meiner Zahnärztin und die hatte nichts zu tun. Juhu. Habe einige Wochen auf den Termin gewartet.
In meiner Wohnung wundere ich mich, dass keine Kataloge im Briefkasten sind. Aber kaum wieder aufm Dorf, liegen sie dort auf dem Tisch. Da haben Otto, Witt Weiden und Heine erkannt, dass ich die Waren zu dieser Lieferadresse bestelle und prompt reagiert. Sehr flexibel.
Peter geht inzwischen auf den Markt, Stinte kaufen. Die Marktfrau ist froh, dass er sie selbst küchenfertig machen wird, sonst hätte da eine lange Schlange gestanden bei der Menge - die wieder einmal für Tage reicht. Diesen kleinen Fisch gibt es nur sehr kurze Zeit. Bis vor kurzem kannte ich nur den Namen...

Montag: Peter ist etwas unschlüssig, was er mit dem Tag anfängt. Da kann ich helfen. Gesträuch muss weg. Schönes Wetter für Außenarbeiten. Er übertreibt gleich wieder und reinigt alle Regenrinnen rundum. Gut, dass ich das nicht gesehen habe mit der hohen Leiter. Bei seinem anderen Haus nebenan macht er gleich weiter und ist abends ziemlich geschafft.
Zwar gehe ich ab und zu in die Sonne, habe aber mehr am PC zu tun. Bereinigen, bestellen, Banking, und endlich habe ich mich an an Elster gewagt, um meine Steuerklärung zu optimieren. Erst einmal bei YouTube lernen, was ich genau tun muss. Hat geklappt, nun muss ich auf meinen Code per Brief warten. Ich drücke mich schon seit Jahren und hole letztlich doch wieder Formulare. Aber ich will den Anschluss nicht verpassen, habe wenig Mitleid mit alten Leuten, die jaulen, weil die Zeit und Technik an ihnen vorbeigelaufen ist. Computer gibt es seit 30 Jahren und ich habe wirklich gekämpft für mein weniges Know-how ! Heute noch....
Schöner Blick in den Garten, die Wiese blüht. Es ist nicht bewusst angepflanzt, die Ameisen haben den Samen verteilt.

Sonntag: Am Vormittag scheucht Peter mich durch den Wald, Kondition aufbauen. Lieb gemeint, ist aber nicht so mein Tag trotz des schönen Wetters. Ich nehme die Kurzstrecke.

Wieder zu Hause, muss Peter zu einer Versammlung und ich habe Zeit zum Backen und Waschen. Denke ich - und dann klingelt Freund Ernst auf einen Kaffee. Ich freue mich über Besuch, aber meinen Zeitplan kann ich begraben, weil Peter nur zwei Stunden weg ist und ich richtig einen Schlag ranhauen wollte. Danach sitzen wir nämlich schon wieder in der Sonne rum bis gegen Abend. Peter kocht und ich gucke gespannt auf die Wahlen in Hamburg. Große Freude, dass die Menschen im Norden besonnener sind. Die Partei der "schlecht gelaunten" bleibt bei 7% und es wird keine komplizierte Dreierkoalition geben. Die FDP hat der nämlich bei der Bundesregierung das Genick gebrochen als Quertreiberin, ist meine Überzeugung.
Es gibt Friesischen Flammkuchen
Sonnabend: Ich fahre nach Bremen zum Literaturkreis. Ich bin gut vorbereitet, Hausaufgaben gemacht - im Gegensatz zu einigen anderen, die einfach aufgehört haben zu lesen. Ehem. Lehrerinnen. So leicht gebe ich das Buch eines berühmten Schriftstellers nicht auf.

Doris bringt Berliner und eine Luftschlange mit, Hellau, Alaf. Nette Idee.

Da drei Leute gesundheitlich etwas angeschlagen sind, endet die Veranstaltung früher als sonst. Ist mir ganz recht, freue mich aufs Kaminfeuer zu Hause. Peter hat Lachs gebeizt, sehr lecker geworden.

Freitag: Es steht viel auf dem Einkaufszettel und ich mache mich auf den Weg. Wenn ich mit Peter einkaufen gehe, bezahlt er immer alles, auch meinen Kram, das geht so nicht. "Wir fressen aus einem Napf" ist seine Devise. Nett gemeint, aber ich möchte mich auch beteiligen, wenigstens ab und zu.
Ich bitte Peter, nach meiner Autotür zu sehen, die ist schwergängig und quietscht. Als ich wegfahren will, ist nicht nur die Tür bearbeitet, es klemmt ein neues Garmin-Navi an der Frontscheibe. Wow! Ich jaule schon länger, dass mein uraltes TomTom seinen Geist aufgegeben hat, die Satelliten spät findet, nur noch bei laufendem Motor funktioniert, Straßenführungen nicht mehr kennt. Und nun dieses tolle Teil. Bedienbar ohne Anleitung, ich brauche kaum tippen.

Nach drei Anfangsbuchstaben wird schon eine Auswahl angeboten. Umschaltung auf Tag- und Nachfarben automatisch. Ich bin begeistert. Vor allem die Geschwindigkeit kann ich gut ablesen, fahre ja fast nur mit Tempomat. Das Navi, erfahre ich später, hat Peter von einem Freund, der es gerade neu hatte und nun ein Auto mit eingebautem Gerät. Vielen vielen Dank.
Während Peter einem Nachbarn hilft, Nistkästen zu reinigen, einen Apfelbaum beschneidet und bei uns den Wein über der Terrasse stutzt, male ich weiter Steine, ein Sonderauftrag, morgen Abgabe.

Abends revanchiere ich mich mit panierten, gebratenen Kohlrabischeiben, von denen er begeistert ist. Kohlrabi noch nie so lecker gegessen, sagt er. Das rote drauf ist Sweetchili.

Donnerstag: Wir machen es wie das Wetterhäuschen: Mann draußen (Gartenarbeit), Frau drinnen, wartet auf besseres Wetter. Meine einzige gute Tat ist Erbsensuppe kochen und Hausarbeit: einmal durch alle Räume gehen. Ich hätte Putzzeug und Staubwedel mitnehmen können ...faule Socke. Aber ich bekomme nie Vorwürfe, bin hier echt die verwöhnte Prinzessin.
An einem Regentag an der Küste im Wohnmobil habe ich Zeit, mal einfach rumzuliegen und nachzudenken. Wie hat sich mein Leben schlagartig geändert vor ca. 600 Tagen, als ich Peter wiedertraf. Nach Horsts Tod hatte ich eine weitere Partnerschaft für mich abgehakt. Einmal "Freundschaft plus" versucht mit Gerd, aber es war schnell klar, dass das mehr der Einsamkeit in der Coronazeit geschuldet war. Wir stehen uns heute noch nahe, aber wieder nur freundschaftlich.
Mit Peter ist alles ganz anders. Wir haben von Anfang an "Last Order" gelebt, ohne die Fehler, die wir vielleicht in anderen Partnerschaften gemacht haben. Wenn man sich einen Meter Zollstock anschaut, sieht man, welche Strecke wir schon zurückgelegt haben im Leben und wie wenig noch bleibt ... vielleicht. Peter nimmt die Sache mit " den Moment leben", nichts verschieben, manchmal sehr ernst. Schon nach wenigen Tagen hat er eine Dachstube entmüllt, alles abgefahren, Arbeitsplatten gebaut und ich habe ein Malatelier. Dasselbe mit einer Leseecke, die ich nun sehr liebe, dem Arbeitszimmer, Kinderzimmer, Gästezimmer.
Wir sitzen auf unserer Rentnerbank im Garten und Ich sage " wäre schön, wenn hier für unsere Weingläser eine kleine Abstellmöglichkeit wäre." Nach drei Stunden steht ein Tisch mit einer Baumscheibe da, Handarbeit aus der Werkstatt. Ich möchte bei Gelegenheit meinen großen Teddy aus meiner Wohnung holen. Eine Stunde später ist das Auto umgebaut, die Sackkarre drin und los. Ich hätte gerne eine Steckdose im Flur für eine Lampe. Kaum gesagt, steht Peter mit Werkzeug da und abends gibt es Strom aus einer Doppeldose. Das sind nur ein paar Beispiele. Und dann geht er in die Küche und kocht. Da muss ich fast drum bitten, das ich auch mal darf, haha. Und die Küche ist vorm Servieren wieder sauber.
Heute durfte ich ...

Mittwoch: Sonnenschein, aber wir machen uns langsam startklar Richtung Heimat.
Hinter dem Deich ist der Laden der Fischereigenossenschaft, tolle Auswahl an Küstengetränken und Fischgewürzen, Fonds und Soßen im Glas. Wir halten an.

An der Frischfischtheke große Auswahl. Im Kühlschrank größere Gebinde, 10 Matjes, Kilo Heringssalat. Aber wir kaufen nur Seelachs, den Peter abends auf Fenchel und Drillingen zubereitet.

Mittags sind wir wieder zu Hause, räumen aus. Ich brauche etwas Zeit, bis ich wieder frisch bin und es wird mir zu spät für Qigong. Mein Bein macht immer noch Probleme, passt also, gute Ausrede.

Gestern Abend Friesen-Paella mit Garnelen und Seelachs. Beachte die Gänseblümchen im Salat. Eine Buddel Rum hat Peter auch mitgebracht.

Dienstag: Der Tag beginnt sonnig, hält aber nicht lange. Mittags machen wir uns auf den kurzen Weg in den Hafen. Der liegt rappelvoll mit Kuttern. Die fahren noch nicht raus. In einem Café trinken wir einen Grog mit schönem Hafenblick. Es laufen nur wenige Menschen herum. Auch der Hafenbus spuckt nur eine Handvoll Reisende aus, die auf die Fähre wollen.


Wir wollen weiter zur Fischmanufaktur am Dorfrand hinterm Deich. Aber mir tut das linke Bein weh, fühlt sich irgendwie vertreten an und ich fürchte, meine Einlegesohle passt nicht mehr richtig. Peter geht alleine Fisch kaufen und ich lese mein Buch für den Literaturkreis. Immer noch russische Literatur, Gogol, "Die Nase". Da wacht ein Mann morgens auf und ihm fehlt seine Nase. Nur noch ein Stück glatte Haut an der Stelle. Er ist entsetzt und macht sich auf die Suche. Ich denke erst einmal: Was für ein Blödsinn. Dann mache ich meine Hausaufgaben, beschäftige mich mit dem Schriftsteller, höre ein langes Hörspiel vom SWR zu seinem Leben, den von ihm gesammelten Märchen, Sagen, Lieder, Legenden.
Die Nase spielt eine zentrale Rolle in unserem Gesicht. Nicht wegzudenken. Mir fallen fast 40 Begriffe ein: Hochnäsig, naseweis, immer der Nase nach, eine Nasenlänge voraus sein, Nase nicht in andere Angelegenheiten stecken usw. Nun verstehe ich was dem armen Mann alles fehlt und lese weiter, verstehe die Ironie und Satire.

Montag: Wir stehen schnauzwärts mit Blick aufs Wattenmeer. Der Wind heult in Böen um das Wohnmobil. Wir beobachten große Vogelschwärme, Gänse, Kraniche und weiter unten die Möwen. Gleich neben uns ist der Anleger für Spiekeroog, aber da ist wenig los. Nur das Schnellboot startet und gleich das Versorgungsschiff. Der Fährverkehr ist abhängig von der Tide, also täglich nur zwei Fahrten möglich.
Bevor gestern der spannende Wahlabend losging, hat Peter das Essen zubereitet. Grünkohl, für mich viel Veggiewurst. Lecker.

Und dann ging es im TV los. Unsere Befürchtungen wurden übertroffen, mehr kann ich dazu nicht sagen. Und nun wird auch noch "Karlsruhe" entscheiden müssen, ob die Wahl ohne die Stimmen der im Ausland lebenden Deutschen gültig ist, die keine Gelegenheit zur Stimmabgabe hatten, weil von hier die Rückantworten verschlurt wurden. Für Rücksendungen hätte man jeden Hansel einsetzen können als Hilfskraft.
Sonntag: Wo ist das schöne Wetter, das Mitte der Woche noch vorhergesagt war? Egal, wir gehen gleich wählen und dann weiter auf die Autobahn Richtung Norden. Mal schauen, ob wir in Neuharlingersiel einen schönen Stellplatz mit Strom bekommen. Heute Abend will ich im TV natürlich die Wahlergebnisse verfolgen, bin gespannt, was das wird. Oh oh...
Peter hat ein Blech leckere Pizza gebacken

Sonnabend: Vormittags starten wir nach Bremen, um Annikas Geschenke abzugeben. Sie ist nun 13 Jahre alt, hat sich einen Schreibtischstuhl und eine Turnmatte von mir gewünscht. Die Familie hat ihr morgens einen schönen Geburtstagstisch bereitet.

Schade, dass wir keinen Parkplatz gefunden haben, sonst wären wir gerne einen Moment geblieben.
und morgen...

Bitte geh hin! Mache es nicht wie unsere Vorfahren und guck weg, was hier im Land gerade passiert. Später können wir nichts mehr ändern, jetzt! Deine Stimme für die Demokratie ist wichtig, die Gegner gehen bestimmt zur Wahl. Ja ich weiß, dass alle zur Zeit unzufrieden sind mit Koalitionen, zu unterschiedliche Interessen, immer ein zähes Ringen. Geht mir auch auf den Keks. Aber was die AfD in markigen Worten von sich gibt, sind leere Versprechen, die mit unseren bestehen Gesetzen gar nicht umgesetzt werden können. Klar muss im Bereich Migration und Asyl etwas passieren, aber ich denke, da muss an beschleunigten Verfahren gearbeitet werden. Ich glaube, auch die Regierung hat es kapiert. Es geht nicht, dass die Menschen hier Fuß fassen und nach zwei Jahren: Nö, doch nicht, geh nach Haus, auch wenn du keins mehr hast.

Freitag: Kein besonderes Programm. Das Wetter soll schön werden und wir beschließen, mit dem Wohnmobil Sonntag Richtung Küste zu fahren. Erst eben wählen, dann gleich auf die Autobahn. Peter hat noch einmal Grünkohl für unterwegs besorgt, der gleich vorgekocht wird. In meiner Wohnung muss ich nach Post schauen und meine kleine Sackkarre holen. Annika hat sich einen Schreibtischstuhl zum Geburtstag gewünscht, den muss ich da irgendwie hinbekommen.
Nachtrag von gestern. Wir laden eine alte Nachbarin aus dem Dorf ein, kleines Mittagessen, Mensch-ärgere-Dich-nicht, Kaffee und Kuchen.
Burgertoast in fünf Minuten

Wir kommen auf die Wahl zu sprechen. "Ich wähle AfD" Peter fällt fast die Kuchengabel aus der Hand, ich verschlucke mich am Kaffee. Wir fragen nach. "Mir hat ein Bekannter gesagt, dass ich die wählen muss, um etwas gegen Kriminalität zu tun und dass hier keine Ausländer mehr sind, sonst reicht das Geld nicht mehr für unsere Renten, und Wohnungen und Ärzte gibt's auch nicht mehr genug."
Aufgewachsen in der DDR hat sie vom Nationalsozialismus nicht wirklich etwas mitbekommen und versteht die Gefahr von rechts nicht. Dass sie die Zukunft ihrer Kinder und Enkel wählt, versteht sie auch nicht. Die gehen doch selbst zur Wahl. Wir sind ratlos, wo wir da ansetzen sollen. Aber vielleicht haben wir es ja geschafft.

Abends schaue ich mir die politische "Schlussrunde" an. Wer jetzt noch nicht weiß, was er/sie wählen möchte, konnte da gar nichts mit anfangen. Die ganze Sendung hat eher zur Verwirrung beigetragen. Ganz schlechtes TV-Format und viel zu wenig Zeit für viele Themen und sieben SpitzenkandidatInnen. Wie erwartet, redeten irgendwann alle total durcheinander, die Moderation hat versagt. Schade!

Das war früher unser Pflichtprogramm sonntags im Kinderfernsehen, nach der "Maus"
Donnerstag: Wir lesen morgens beim Kaffee Zeitung. Peter schickt mir einen Bericht über die AFD, weil es für uns immer noch ein Rätsel ist. Peters Schwager im Osten ist so einer. Ziemlich große Klappe, unlogisch, Alkoholiker, oft die Jobs wechseln müssen, selbstgemachte Krankheiten, bei denen Ärzte nicht helfen, weil er nur ein Ossi ist. Obwohl er naturgemäß nichts in die Rentenkasse bezahlt hat, bekommt er eine recht gute Rente, rennt von Arzt zu Arzt, hat ein gutes Haus in schöner Wohnlage am Hang, Grundstück mit Garten und Gemüse, ein Auto, ein Wohnmobil und eine liebe Frau, die sich längst für Harmonie in der Ehe selbst aufgegeben hat. Er meckert und flucht, wie schlecht es ihm geht und wie gut allen anderen, besonders im Westen. Mich hat er auch schon beschimpft, weil ich in der SPD bin. Ein Gespräch ist nicht möglich. Wutbürger.
Manchmal denke ich, der Unterschied ist "Dankbarkeit für das, was wir haben" auf der einen Seite und "Wut und Neid, dass andere mehr haben oder ihnen etwas weggenommen wird" auf der anderen Seite. Null Emphatie und Toleranz. Spaltung.
Verstehen kann ich die Denkweise der Menschen, die in Armut leben und keine Perspektive mehr sehen; die davon träumen, dass endlich mal einer auf den Tisch haut und für ihre Bedürfnisse kämpft, statt für Migranten. Aber auch das wird mit der AFD nicht klappen, die haben ganz andere Interessen. Für diese frustrierten Menschen sind demokratische Parteien kein Ausweg, die haben sie ja vermeintlich erst in die ausweglose Situation gebracht. Die falsche Frage ist: Was tut der Staat für mich" und nicht auch "Was kann ich für den Staat, also die Gemeinschaft, tun". Und für mich selbst handeln statt nur meckern.

Mittwoch: Außer Qigong nachmittags nix los. Ich male mal wieder etwas eifriger, weil ich eine Anfrage von einer Langeooger Monatszeitung bekommen habe. Die wollen eine kleine Reportage zu meiner Steinmalerei machen im Juni, wenn wir auf der Insel sind. Ich lege schon mal Vorräte an.
Dienstag: Peter geht früh zum Markt, Stinte kaufen. Die kleinen Fische gibt es nur kurze Zeit. Er bekommt heute das letzte Kilo am Fischwagen. Um 17:00 Uhr kommen Gäste aus der Nachbarschaft, die er dazu eingeladen hat. Ich habe den geplanten Kartoffelsalat noch um ein paar Knollen erweitert und brauche nur für das Anrichten und Dessert zu sorgen. Die Gäste bleiben lange, schöner spontaner Abend für alle.
Stinte und Scholle

Montag: Es gibt nichts zu berichten für mein Tagebuch. Ich bin in den Pausen des Tages online unterwegs. Viele Jahre habe ich mich gegen Facebook gewehrt, aber inzwischen stöbere ich da wirklich gerne mal ein halbes Stündchen. Ich bekomme viel in Kurzform angeboten, für das ich mich sonst nicht interessiert hätte oder keine andere Quelle hätte. Schön bemalte Steine aus aller Welt, sinnige und blöde Sprüche, schnelle Rezepte mit Videos, praktische Küchenhelfer, Buchtipps, lustige Cartoons usw. Klar ist auch Schrott dabei, wird aber schnell überblättert. Unter anderem hat mich eine Beispielrechnung zum Bürgergeld zum Nachdenken gebracht. Oh je, da hätte ich bei manchem Posten echt Probleme, das ohne Verschuldung einzuhalten. Wo würde es bei dir haken? Wie lange könntest du das durchhalten?

Meine Konzertkarte hat 45€ gekostet, passt mit Kultur, aber der Rest reicht mir nicht mehr für Freizeitgestaltung oder sparen auf Urlaub. Für meine neue Strickjacke 59, mein Buch 12€ (Bildungswesen!), mein Friseurbesuch 32€. Für "Verkehr" habe ich gestern beim Tanken den gesamten Monatsbetrag ausgegeben. Lebensmittel könnte ich hinbekommen, allerdings vegetarisch und ohne Gäste und Wein.? . Geburtstagsgeschenke für Enkelkinder würden komplett wegfallen.

Na ja, gar nix ist auch doof. Aber wir haben eine nette Einladung zum Kaffee bei Peters Freunden in Achim. Es ist ein sehr unterhaltsamer Nachmittag mit leckerem Kuchen und spannenden Erzählungen u. a. von einer dreimonatigen Australienreise, der Sohn lebt dort.
Manchmal steckt in Leserbriefen (WK) mehr Aussage als in den Zeitungsartikeln. Dieser hat mir besonders gefallen:

Freitag: Ich habe einen Friseurtermin. Meine Haare werden um 2 zottelige Zentimeter gekürzt, fallen aber sowas von gerade herunter, keine einzige Welle. Schade, aber man kann nicht alles haben. Meine Schwester hat so schöne große Locken ...
Ich fahre anschließend in meine Wohnung, Post holen und dann "nach Hause", ein Blech Pflaumenkuchen mit Streuseln backen für eine Einladung morgen.

Für Abends ist noch Grünkohl da, reicht aber nicht mehr für zwei Portionen. Plan B: Auflauf. Erst Kartoffelstampf mit etwas Sahne verfeinert in die Form, dann eine Lage gebratene Zwiebelringe, den Kohl verteilen und Reste vom Fleisch/Wurst kleinschneiden, ist noch Veggiekram da. Mit Käse bedecken und ab in den Ofen. Für eine Portion kann man auch in der Mikrowelle drei Minuten überbacken
